ADHS bei Frauen
1. Mai 2023ADHS Psychoedukation – einfach spannend gemacht!
29. August 2024Frauen mit einer frischen ADHS-Diagnose melden sich in meiner Animo Coaching-Praxis auffallend häufig in zwei Lebensphasen: In der Pubertät sowie zwischen 40 und 50 Jahren. Es sind dies die Anfangs- und Endjahre unserer Fruchtbarkeit, die Zeiten der grössten hormonellen Veränderungen.
Dass eine Frau während dieser Umstellung durchgeschüttelt wird und sich eine Begleitung sucht, macht Sinn. Doch weshalb die Häufung der ADHS-Diagnosen? Was haben ADHS und Hormone miteinander zu tun?
Nur die Pubertät – oder ist da noch mehr?
Während vielen Schuljahren kompensieren und verstecken zahlreiche Mädchen ihre grössten Herausforderungen. Über die übersehenen Anzeichen von ADHS bei Mädchen und Frauen berichte ich in einem weiteren Blog-Artikel.
Oft fällt ein ADHS bei Mädchen erst im Teenage-Alter auf, zum Beispiel durch
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mehr akademische Probleme
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heftige Aggressionen (auch sich selber gegenüber; negative innere Dialoge)
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eine höhere Rate von Depressionen
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frühe Anzeichen in Bezug auf Substanzen
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Schwierigkeiten mit der Motivation
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ausgeprägtes PMS (prämenstruelles Syndrom- starke Stimmungsschwankungen usw. vor der Periode)
Die Veränderung der Hormone, bevor die Menstruation einsetzt, verstärkt die ADHS- Symptomatik. Vertuschen und die Kompensation durch Fleiss, Intellekt und Selbstkontrolle werden immer anstrengender bis unmöglich.
Auch zu „Selbstmedikation“ durch Cannabis, Alkohol oder Nikotin wird gegriffen, um die innere Unruhe zu lindern, und die Flucht in Social Media oder Games ist beliebt.
Wenn Eltern oder Lehrpersonen etwas auffällt, wird es oft auf die Pubertät geschoben und nicht ernst genommen. Die Mädchen erhalten nicht die richtige Unterstützung, und die Herausforderungen werden grösser. Es ist typisch, dass erst die Begleiterscheinungen wahrgenommen werden (eine Essstörung, Sucht oder Erschöpfung beispielsweise), bevor eine junge Frau endlich auf ein Aufmerksamkeitsdefizit Hyper-/Hypo-Aktivitäts- Syndrom abgeklärt wird.
Eine aufwühlende Zeit: ADHS und die Wechseljahre
Auch in der Menopause treten ADHS-Symptome bei betroffenen Frauen verstärkt auf, wie
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Traurigkeit bis Depression.
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unendliche Müdigkeit.
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krasse Zerstreutheit.
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grosse Vergesslichkeit.
Das gehört bei vielen neurotypischen Frauen ebenfalls zu der Menopause. ADHS und Wechseljahre bedeuten jedoch für die Betroffenen deutlich verstärkte Probleme. Es ist eine herausfordernde Zeit, bevor eine neue Freiheit beginnt. Die hormonelle Veränderung beginnt übrigens bereits einige Jahre vor dem Ausbleiben der Menstruation, und damit auch gewisse Auswirkungen davon.
Ich höre von Klientinnen in dieser Lebensphase: „Ich erkenne mich nicht wieder. Alle Energie ist weg, und ich muss mir alles, aber wirklich alles aufschreiben, um es nicht zu vergessen. Was ist bloss mit mir los?“, und: „In mir ist nur noch Chaos. Meine Emotionen spielen komplett verrückt. Kürzlich fragte mich eine Nachbarin auf der Strasse, wie es mir geht. Ich brach gleich heulend zusammen, ohne zu wissen warum.“
Ich sehe viele Selbstzweifel, Unsicherheiten und Ängste. Gleichzeitig schlummert da der Wunsch nach Veränderung, sich freimachen von Konventionen und Selbstverwirklichung. Die Diagnose bringt vielen Frauen Klarheit und Sicherheit. Der Austausch mit anderen Betroffenen stärkt sie und macht Mut.
ADHS und Hormone – was beeinflusst die Symptome?
Zwischen ADHS und Östrogen besteht eine enge Verbindung. Wie genau und warum das so ist, konnte noch nicht abschliessend geklärt werden.
Östrogen beeinflusst die Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und Noradrenalin. Und diese beeinflussen Erinnerungsvermögen, Fokus und Stimmung. Daraus ergibt sich offenbar eine enge Verbindung zwischen Östrogen und kognitiven Funktionen und damit mit ADHS.
Sowohl in der Pubertät als auch in den Wechseljahren verändert sich der Östrogenspiegel bei Frauen enorm. Wenn wir von diesem beschriebenen Zusammenhang ausgehen, ergibt sich nur schon aufgrund der Hormone eine stimmige Erklärung für den Anstieg der ADHS- Symptome in diesen Lebensphasen. Diese sind zudem geprägt von Veränderung und Umbrüchen, was Stress auslösen kann und somit wiederum die Anzeichen von ADHS bei Frauen verstärkt.
Während unseren fruchtbaren Jahren steigt und fällt das Östrogen im Monatszyklus. Auch hier sehen wir eine Veränderung in manchen ADHS- Anzeichen:
In den ersten beiden Zykluswochen (Start: 1.Tag der Blutung) steigt das Östrogen. Es setzt die „feel-good“ Neurotransmitter Serotonin und Dopamin frei. Also hebt sich die Stimmung. Studien zeigen eine Tendenz, dass Woche 1 und 2 einfacher sind für Frauen mit ADHS (ab Einsetzen der Regelblutung, wo neuer Follikel heranreift, bis Eisprung).
Nach dem Eisprung (also in der 3.Woche) fällt das Östrogen und Progesteron steigt. Progesteron reduziert den positiven Einfluss des Östrogens auf das Hirn.
Diese Zeit vor der Menstruation, insbesondere die 4. Zyklus-Woche, wird von vielen Frauen mit ADHS als besonders herausfordernd bezeichnet. PMS tritt oft heftig auf. Sie fühlen sich verwirrt, neben den Schuhen. Vermehrt wird zur sogenannten Selbstmedikation in Form von übermässigen Drogen, Alkohol, Sex und Essen gegriffen.
Vieles deutet darauf hin, dass Stimulanzien (manche ADHS-Medikamente) weniger effektiv wirken in dieser Zeit. Es gibt Ärzte, welche für diese Tage die Dosis der Medikation erhöhen.
Interessanterweise wurde umgekehrt schon über Verbesserung der PMS-Symptome durch ADHS-Behandlung berichtet, wie sich auch gezieltes Einsetzen der Pille allenfalls positiv auf die ADHS-Symptome auswirken kann. Noch braucht es vertieftere Studien in diesem Bereich.
ADHS verschwindet in der Schwangerschaft
Während einer Schwangerschaft können sich die ADHS-Symptome ebenfalls verändern. Exakte Studien fehlen noch, doch Erfahrungsberichte von Fachleuten sind sich ziemlich einig: Im 1.Trimester verstärken sich die Herausforderungen wie Vergesslichkeit und Zerstreutheit stark.
Im Laufe der Schwangerschaft erhöht sich der Östrogenspiegel. Möglicherweise nehmen deshalb bei vielen Frauen mit ADHS die Symptome ab oder verschwinden sogar. Genaue Studien dazu gibt es wohl noch keine.
Viele Frauen berichten, sie seien während der Schwangerschaft vorwiegend symptomfrei. Nach der Geburt wird häufiger als bei neurotypischen Frauen von grossen Stimmungsschwankungen und postpartaler Depression berichtet. Auch die Still-Zeit wird oft als besonders belastend empfunden. Für eine unruhige Frau mit ADHS muss es herausfordernd sein, mehrmals täglich mit einem säugenden Baby stillzusitzen. Allerdings erzählten mir schon mehrere Frauen, sie hätten die Baby-Zeit sehr genossen, weil so klar war, was an der Reihe war und sie keine weiteren Ablenkungen gehabt hätten.
Auf den Punkt gebracht
Betroffene Frauen und Fachleute berichten von einem offensichtlichen Zusammenhang der ADHS-Auswirkungen und dem Monatszyklus. Die Frauen, welche zu mir ins ADHS-Coaching kommen, berichten zudem praktisch einstimmig über die Veränderung der Anzeichen im Verlauf ihres Lebens.
Abschliessende Studien über die Zusammenhänge ADHS und Hormonen bei Frauen gibt es derzeit noch keine. Wie überall in der Medizin haben sich die Forscher lange Zeit vor allem auf männliche Probanden und Symptome abgestützt.
Es ist mehr als höchste Zeit, dass Mädchen und Frauen mit ADHS mehr ins Zentrum der ADHS- Forschung rücken. Symptome, das Zusammenspiel mit den Hormonen und die daraus folgenden Behandlungsansätze in Medizin, Psychologie und Coaching bieten noch Luft nach oben. Ich bin zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren weitere interessante Zusammenhänge entdeckt werden, welche noch mehr Licht in die Behandlung und Unterstützung der Frauen mit ADHS bringen werden.
Als ADHS- und Life Coach ist es mein besonderes Anliegen, Mädchen und Frauen mit ADHS in ihre Kraft zu begleiten.
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9 Comments
Guten Abend,
gibt es Studien zu einem Zusammenhang zwischen ADHS und geschlechtsangleichender Hormontherapie?
Und wie ist das mit der Menopause im Allgemeinen wenn eine solche Therapie schon lange läuft?
Vielen Dank für diesen Beitrag.
Ich wünsche Ihnen alles Gute
Hallo Gabriel, das sind interessante Fragen, zu denen ich leider noch keine Antworten habe. Bestimmt wird in diesem Bereich bald geforscht, falls es noch keine Studien gibt.
Hallo, es ist schön zu lesen das die Forschung mit den beiden Themen sich auseinandersetzen. Ich selbst habe ADHS &PMS. Eine Umstellung auf ein anderes ADHS Medikament und zusätzlich noch ein anderes Präparat haben meine Symptome deutlich verbessert. Ich bin sehr dankbar darüber über die Erfahrungen und kann meiner Tochter (Pubertät) besser verstehen und unterstützen. Beste Grüße
Danke für deine Rückmeldung! Wie schön, dass du für dich gute Möglichkeiten gefunden hast! Und ja, es ist mehr als höchste Zeit, dass sich die Forschung den Frauen annimmt! Doch nun sind unter anderem sowohl in den USA als auch in Skandinavien grosse Projekte am laufen. Alles Gute zu euch! Liebe Grüsse, Jana Landolt
Hallo Sabine
Ich denke, dass ich ADHS habe (noch nicht diagnostiziert). Ich bin jetzt 48 Jahre und es kündigen sich bei mir homonelle Umstellungen an. Dadurch habe ich nun plötzlich PMS bekommen und das PMS wurde nun über die letzten Jahre immer heftiger. Ich habe von mir aus vermutet, dass es hier Zusammenhänge geben muss und habe mich nun sehr über die Seite gefreut. Was für ein anderes Präparat hilft Dir und hast Du es von deiner/m Psychiater/in oder von der gynäkologischen Seite her erhalten? Meine Frauenärztin konnte mir gestern nicht wirklich weiterhelfen, ausser die üblichen Empfehlungen. Das ist zu spezifisch…
Hallo Sabine, darf ich fragen welche beiden Medikamente du nimmst? Da ich mich gerade überall informiere um eine Besserung zu erzielen. Lg
Hallo Sabine, mich interessiert welche beiden Medikamente du bekommst. Ich bin jetzt in der Pärimenopause und habe ADS und informiere mich gerade, was ich zwecks der Hormonumstellung und dem ADS am besten nehmen kann.
Lg
Die Verbindung zwischen ADHS und Hormonen ist sicherlich ein Thema, das viele Menschen betrifft, aber oft nicht ausreichend beleuchtet wird. Eure Erklärungen über die Rolle von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin sind besonders hilfreich, um die Zusammenhänge besser zu verstehen.
Liebe Grüße,
Heike Zaun
Es ist ein sehr spannendes Thema, über welches in absehbarer Zukunft noch einiges erforscht werden wird. Endlich! Danke für das Feedback; ich freue mich, wenn mein Blog-Artikel über ADHS und Hormone hilfreich ist! Liebe Grüsse, Jana Landolt