Anleitung zum Mutig-Sein
15. Mai 2019ZUHAUSE BLEIBEN – wie wir diese aussergewöhnliche Zeit gut erleben können
26. März 2020Keiner versteht den anderen ganz, weil keiner bei demselben Wort genau dasselbe denkt wie der andere. (Goethe)
Frage einmal vier verschiedene Menschen, welches innere Bild bei ihnen entsteht, wenn sie das Wort „Haus“ hören. Ich habe es getan, und fiel aus allen Wolken. Ein Haus – je ein Strich links und rechts, ein Dach oben drauf, ein kleiner Kamin dazu, eine Türe, zwei Fenster, fertig. Was bei mir so simpel und in Filzstift auf der inneren Leinwand erscheint, ist alles andere als allgemein gültig: „Puh, Haus, hör mir bloss auf damit! Viel zu viel Arbeit, die totale Überforderung!“ – „ Aaaach, ein Häuschen. Gemütliches Daheim; was würde ich darum geben, eines zu besitzen!“ – „Haus? Also meinst du so einen Wohnblock? Ein Riegelhaus? Ein Stadthaus? Kann ja alles sein!“ Sogar wenn ich über etwas vermeintlich Neutrales wie ein Haus spreche, muss ich gefasst sein, beim Gegenüber ziemlich starke Emotionen auszulösen.
Die Sprache dient in erster Linie dem Austausch von Informationen. Doch sie kann weit mehr als das: Eine bewusst gewählte Sprache fördert Selbstbewusstsein, Handlungsbereitschaft, eine lösungsorientierte Sichtweise und einen wertschätzenden Umgang.
Es gibt eine Sprache, die aufbaut und wohltut, und es gibt auch eine Sprache, die Kraft kostet und anstrengend ist. Nicht nur wir machen etwas mit der Sprache, unsere Sprache macht auch etwas mit uns. Gezielte Änderungen der gewohnten Ausdrucksweise und unserer Gedanken haben eine nachhaltige Wirkung auf uns. Mit unserer Sprache können wir sogar beeinflussen, wie wir uns selber fühlen. Um all diese faszinierenden Facetten der Sprache geht es in diesem Blog.
Die Wirkung von Worten
Beim Beispiel mit dem Haus kommt ganz deutlich zum Vorschein:
⇒Jedes Wort ist individuell verbunden mit unseren Erfahrungen und Emotionen.
Diese werden jedes Mal gemeinsam mit dem jeweiligen Begriff abgerufen und umkränzen ihn. Doch woher kommt das? Es ist spannend und erhellend, zu verstehen, was in unserem Kopf so abläuft.
Was geschieht im Hirn?
Hinter den Kulissen spinnt unser Hirn die Fäden für unser Verhalten:
Über Ohr oder Auge kommt ein Wort in unserem Kopf an. In Millisekunden stellt das Hirn Verbindungen her zu vergangenen Eindrücken und Erfahrungen, sogar zu vergessenen. Das hat manchmal überraschende Folgen für unsere Kommunikation! Wenn ich eine kurze Bemerkung zum Thema „Haus“ in die Runde werfe, und postwendend schlechte Laune oder Euphorie ernte, wie im oberen Beispiel, so hat es genau mit diesen mit-gespeicherten Attributen zu tun. Wenn ich um diese Mechanismen weiss, werde ich diese Reaktionen nicht persönlich nehmen, sondern nachfragen, was es mit diesem Stimmungsumschwung auf sich hat. Die unerwarteten Reaktionen können geklärt und weiteren Missverständnissen vorgebeugt werden.
Unser Hirn ist wie ein dreistöckiges Gebäude:
Im archaischen Stammhirn, das es in der Entwicklung des Lebens am längsten gibt, sitzt die Steuerung der lebenswichtigen Funktionen und die Reflexe.
Im Zwischenhirn sind unter anderem unsere Gefühle zuhause.
Und im Grosshirn findet das analytische Denken statt.
Das Zwischenhirn
Unser Zwischenhirn sortiert eingegangene Informationen aus und entscheidet, welche genug relevant sind, um ins Bewusstsein, also ins Grosshirn, weitergeleitet zu werden. Es filtert die Inputs, damit das Grosshirn nicht überlastet wird. Auch unser Stoffwechsel, Sexualtrieb, Immunsystem, Steuerung der Aufmerksamkeit sitzen im Zwischenhirn. Eintreffende sprachliche Informationen werden hier mit Emotionen angereichert. Dann werden sie zum Grosshirn weitergeleitet und gemeinsam mit der Emotion abgespeichert.
Das Zwischenhirn produziert 6 biologische Grundgefühle:
⇒ Freude und Glück
⇒ Wut, Ärger und Hass
⇒ Ekel und Abscheu
⇒ Trauer
⇒ Überraschung
⇒ Angst und Furcht
Diese Primäremotionen standen ursprünglich im Dienste der Überlebenssicherung.
z.B. Wut > löst Agression aus> ist wichtig für den Kampf gegen den Feind.
Ein Wort löst also eine Stimmung aus, ob wir wollen oder nicht. Damit sind ebenfalls körperliche Begleiterscheinungen verbunden, die durch Hormone ausgelöst werden. Ist der Begriff „Haus“ mit Angst (z.B. vor Verantwortung) verbunden, kann damit sogar ein Schweissausbruch einher gehen. Damit rechne ich nun als Gesprächspartner nicht unbedingt.
Bei einem Gespräch kann ich nicht bewusst beeinflussen, welches Gefühl bei meinem Gegenüber entsteht. ABER: Ich kann gegensteuern, wenn ich eine Reaktion nicht verstehe! Ich kann nachfragen und auch meine Absicht deutlich aussprechen.
Das Grosshirn
Der Sitz der Vernunft befindet sich in der vorderen Stirnhirnrinde. Wir kennen Momente, wo bei bei Entscheidungen manchmal Bauch gegen Verstand „kämpfen“ .
Wir wissen jetzt: Abgespeicherte Wörter sind immer emotional gefärbt. Also hat das immer einen Einfluss. Es ist also unmöglich, mit dem Verstand allein zu „denken“, die Emotionen sind immer mit dabei.
Verletzende Worte, die gehört und im Zwischenhirn bildlich gesprochen „mit Marker und drei !!!“ versehen worden sind, werden so auch abgespeichert. Diese Reizworte funktionieren für den betreffenden Menschen oft ein Leben lang als Trigger.
Glücklicherweise bleiben nicht nur negativ gefärbte Worte haften, sondern auch positive: Auch motivierende Worte können bleiben! Sie sind – verbunden mit einem positiven Gefühl – in uns gespeichert.
Es liegt an uns, welche Worte wir in welcher Situation wählen, und mit welchen Gefühlen sie bei unserem Gegenüber für lange Zeit verbunden werden.
Problem- oder Lösungsfokus?
Worte schaffen also eine innere Realität. Was geschieht nun, wenn wir über Probleme oder Lösungen reden?
⇒ Fokussiere ich mich in Gedanken oder ausgesprochenen Worten auf ein Problem, so wird dieses demnach auch zur Realität. Meine Stimmung kann schwerer werden, und der Mut sinkt.
⇒ Welches Gefühl löst bei dir der Satz aus: „Es ist einfach schwierig, mit dieser Tatsache umzugehen!“ ?
⇒ Und was löst dieser Satz aus: „Ich finde es eine Herausforderung, mit dieser Tatsache umzugehen!“ ?
Welcher Satz ermutigt dich eher, eine Lösung für die Situation zu finden? Und welcher hinterlässt dich entmutigt?
Jedes Wort schafft eine Wirklichkeit. Welche möchtest du? Diese Entscheidung kannst du immer wieder aufs Neue treffen.
Auch in diesem Blog geht es um die Kraft der Sprache. Vielleicht teilst du meine Faszination dafür und möchtest mehr dazu erfahren!
Viel Spass beim Entdecken und gestalten deiner ganz eigenen, bewussten Sprache!