Aufschieberitis – oder: was du heute kannst besorgen, das verschiebe gleich auf morgen!
15. November 2018Schluss mit Vorurteilen über ADHS! (Teil 2)
17. Oktober 2021Über ADS und ADHS geistert so viel Halbwissen herum, was den Betroffenen das Leben schwer macht. Sie werden konfrontiert mit allerlei Falschaussagen und damit verbunden mit gut gemeinten, aber meistens nutzlosen Ratschlägen. Sie werden manchmal verurteilt, kritisiert und sehr häufig missverstanden in ihrem Sein. Ein gutes Verständnis für das Aufmerksamkeitsdefizit und seine Begleiterscheinungen ist ein wichtiger Schritt für eine kreative und solidarische Gesellschaft. Für Betroffene selber ist es eine grosse Hilfe, sich selber besser zu verstehen.
Ich beginne mit einer der grössten und verbreiteten Fehlannahmen:
„ADHS HABEN NUR WILDE JUNGS.“
Wer als nicht Betroffene von ADHS hört, denkt meistens an laute, wilde Zappelphilipps. Dass es auch Mädchen mit dem Aufmerksamkeits-defizit gibt, geht oft vergessen. Ungefähr 5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren sind von ADHS betroffen. Tatsächlich wird es bei Jungen etwa drei bis viermal häufiger diagnostiziert als bei Mädchen. Sie weisen eher den impulsiv-hyperaktiven bzw. kombinierten Typ auf (mit ausgeprägten Aufmerksamkeitsproblemen) und Mädchen eher den unaufmerksamen Typ.
Bei Mädchen deuten häufig andere Anzeichen auf ADHS hin als zappeln und Vergesslichkeit. Zum Beispiel übermässiges Sprechen, tiefer Selbstwert, Ängstlichkeit, Perfektionismus, risikoreiches Verhalten. Viele Mädchen entwickeln ganz starke Strategien, um ihr ADHS zu überspielen bzw. auszugleichen. Wenn sie still leiden und keine Unterstützung bekommen, kann dies spätestens im Erwachsenenalter zu Burnout/Depression, Angstzuständen, grossem Selbstwertmangel kommen.
Wächst sich ADHS aus?
Früher hiess es, AD(H)S wachse sich in der Pubertät aus. Doch tatsächlich zeigt es sich bei weit mehr als der Hälfte der Betroffenen auch im Erwachsenenalter noch. Die ursprünglichen Symptome verändern sich aber. So werden Vergesslichkeit und Stimmungsschwankungen sowie innere Unruhe eher stärker und der Bewegungsdrang verringert sich. Viele Erwachsene haben im Laufe ihres Lebens auch gute Strategien herausgefunden um mit ihren Schwierigkeiten umzugehen und können sie im optimalen Fall mit ihren Stärken übertrumpfen. Deshalb wurde lange Zeit angenommen, ADHS wachse sich aus. Doch sind die Symptome dennoch oft so deutlich, dass sie die Betroffenen in ihrer Lebensgestaltung beeinträchtigen.
Bei unerkanntem und unbehandeltem AD(H)S kann als Begleiterscheinung ein komplexes Krankheitsbild entstehen, welches das gesamte Spektrum der Psychiatrie erfassen kann. Es ist also wichtig, nicht nur bei Jungen an ADHS zu denken, sondern auch bei Mädchen und Erwachsenen. Damit können sie bei Bedarf die richtige Hilfe finden und ihre einzigartigen Stärken und gutes Selbstvertrauen entwickeln.
Wenn nun also das Thema AD(H)S auf den Tisch kommt und es um eine mögliche Abklärung geht, kommen wir schon zum nächsten Vorurteil:
„ICH WILL KEINE DIAGNOSE, DA GIBT ES DOCH BLOSS RITALIN!“
Wenn eine Abklärung von AD(H)S ins Spiel kommt, ist der Leidensdruck der Betroffenen meist schon ziemlich gross. Und wenn der Leidensdruck gross ist, ist es von Vorteil, wenn ihm mit einer passenden Hilfestellung begegnet wird. Damit ein Kind überhaupt auf ADS abgeklärt wird, muss es ja in irgend einer Form aufgefallen sein oder offensichtlich darunter leiden. Wenn das Kind noch jung ist, vielleicht erst anfangs „Schulkarriere“ steht, halten sich die Auswirkungen einer ADS meist in Grenzen, zumindest nach aussen. Wie es im Innern des Kindes aussieht, ist manchmal schwer zu sagen. Doch was löst es wohl in einem Kind aus, wenn es täglich hört: „Du hörst mir einfach nie zu!“ und „Mach mal vorwärts! Wegen dir sind wir schon wieder zu spät dran!“
Auf die Schule bezogen handelt es sich vielleicht um vergessene Hausaufgaben, verlorene Hausschuhe, zu wenig Zeit bei einem Test, Flüchtigkeitsfehler usw. Bald merkt ein „Träumerchen“, dass es immer leicht daneben steht und etwas später, langsamer, ungenügender als die anderen unterwegs ist. Das nagt bald schon am Selbstwertgefühl. Und da beginnen die Folgen der ADS, die sich leider bei unbehandeltem Verlauf je nach Situation und Umständen verselbständigen können, die sogenannten „Komorbiditäten“. Das bedeutet Begleitsymptome, die auch im Erwachsenenalter vorhanden sein können, wie Depressionen, Ängste (auch durch mangelnden Reizfilter), Appetit- und Schlafstörungen.
Kinder mit mittlerem bis starkem AD(H)S brauchen Coaching und intensive strukturierte, wohlwollende Begleitung, was im Alltag von den Eltern übernommen werden kann und sogar muss. Sofern die Eltern stabil, liebevoll, geduldig und konsequent sind und verstehen, wie sich das AD(H)S bei ihrem Kind auswirkt, kann dies ausreichen. Dennoch hat sich gezeigt, dass Therapieformen wie Ergotherapie, Neurofeedback, Verhaltenstherapie, Lerncoaching oder Konzentrationstraining die Entwicklung eines Kindes mit AD(H)S positiv unterstützen. Nicht jede Therapieform ist für jedes Kind hilfreich, das muss individuell betrachtet werden. Die Frage nach der Medikation ebenfalls. Es kommt auf jeden Fall auf den Leidensdruck der Betroffenen an und auf die Ausprägung des AD(H)S.
ADHS ist manchmal schwierig zu fassen und kann noch nicht zu 100% erklärt werden. Die Wissenschaft ist sich heute weitgehend einig, dass sowohl körperliche Ursachen als auch äusserliche Einflüsse im Spiel sind. Ebenso einig ist man sich bei der weitgehend wirkungsvollsten Behandlung: Nicht Medikamente allein, sondern die Kombination mit Psychotherapie, Coaching, Ergotherapie u.ä. sowie gute Psychoedukation, gehören gemeinsam zum Weg, einen positiven Umgang mit ADHS zu finden. Wie im Einzelfall die passende Unterstützung aussehen kann, wird am besten mit einer Fachperson besprochen. DAS einzig typische AD(H)S gibt es nämlich ebenso wenig, wie DIE einzig richtige Behandlung.
Als ADHS-Coach bin ich eine zuverlässige Ansprechperson für vielfältige Fragen und Unterstützung.
Jana Landolt – Animo Coaching
Life Coach & AD(H)S-Trainerin
Byfangweg 36, 4051 Basel