Schluss mit Vorurteilen über ADHS! (Teil 1)
16. Juli 2021Habe ich ADHS?
11. Oktober 2022In meiner Arbeit als AD(H)S-Coach in Basel begegne ich vielen Halbwahrheiten über ADS/ADHS und den Folgen davon. Es ist mir daher ein grosses Anliegen, mit einigen davon aufzuräumen.
Im letzten Blogartikel (Teil 1) ging es um „ADHS HABEN NUR WILDE JUNGS“ und „ICH WILL KEINE DIAGNOSE, DA GIBT ES DOCH BLOSS RITALIN!“.
Im zweiten Teil geht es um den besonders von Lehrpersonen und Eltern oft wiederholten Tipp:
DU MUSST NUR WOLLEN, DANN GEHTS!
Manche Sätze hören die meisten Menschen mit ADHS täglich:
Streng dich mehr an! – Du willst einfach nicht! – Gib dir endlich mal mehr Mühe!
Das kommt an wie ein Dolchstoss. Denn: Menschen mit AD(H)S strengen sich an. Sie wollen. Sie geben alles. Dauernd.
?? Sie konzentrieren sich.
?? Sie versuchen an einer Sache dran zu bleiben.
?? Sie reissen sich zusammen.
?? Menschen mit AD(H)S geben sich grosse Mühe.
Nur sieht es von aussen leider nicht so aus.
?? Es ist meistens nicht genug.
?? Trotz aller inneren Anstrengung ist die Aufgabe nicht fertig.
?? Ist das Projekt nicht zu Ende gedacht.
?? Fehlt der letzte Schliff.
Das liegt nicht am mangelnden Willen. Das liegt nicht an der fehlenden Anstrengung. Es liegt daran, wie das ADHS-Hirn funktioniert, und das ist nun mal anders als bei neurotypischen Menschen.
Schneller gelangweilt wegen AD(H)S
Das Hirn eines ADHS-Betroffenen nimmt mehr Reize auf einmal auf und hat Mühe, diese zu gewichten. Der vorbeifliegende Vogel erhält die gleiche Aufmerksamkeit wie die Mathe-Aufgabe. Die plötzliche, neue Idee erscheint gleich wichtig oder wichtiger wie die Sache, an der man gerade sitzt.
??Die Konzentration wieder auf das zu lenken, was (von aussen auferlegt) gerade jetzt getan werden muss, braucht eine grosse Anstrengung.
Gedanklich springen ADHSler*innen von einem zum anderen. Der Fokus auf eine Sache zu halten braucht viel Kraft. Dazu kommt, dass sie sich ganz schwer mit uninteressanten, eintönigen Themen auseinandersetzen können. Das kann so schwer fallen, dass körperliche Symptome auftauchen. Ich höre oft: „Das ist so langweilig, dass es weh tut!“ Oder: „Mir wird schlecht vor Langeweile!“
Der Hyperfokus
Doch nun kommen wir zum interessanten und auch etwas verwirrenden Aspekt: Wenn es eine selbstgewählte Aufgabe ist, die man wirklich spannend findet, bleibt die Konzentration gefühlt ewig lange aufrecht. Das ist der sogenannte Hyperfokus. Und der verwirrt. Denn es sieht tatsächlich so aus, als „könnte man, wenn man will!“.
Doch mit Wille hat es auch dann nichts zu tun. Denn auch der Hyperfokus bei AD(H)S kann nicht gesteuert werden. Wer im Flow ist, kommt so schnell davon nicht mehr los. Das ist toll, kann jedoch auch erschöpfen, wenn Essen, Trinken und Schlafen dabei vergessen gehen.
Natürlich kommt das auch bei Nicht-Betroffenen vor: Etwas zu erledigen, worauf man keine Lust hat, fällt schwerer als sich um die eigenen Vorlieben zu kümmern. Anders als bei AD(H)S ist diese Tatsache jedoch selten so einschneidend, dass die Lebensgestaltung deutlich unter den Auswirkungen davon leidet. Denn ein gewisses Mass an Steuerung ist meistens möglich.
Die Motivation und Konzentration für eine nicht selbstgewählte, uninteressant scheinende oder als unwichtig eingestufte Sache aufzubringen braucht eine riesige Anstrengung für AD(H)S-Betroffene. Dazu neigen Menschen mit ADHS zu einem geringen Selbstwertgefühl. Sie trauen sich viele Dinge nicht zu. Zusammen mit schwindendem Fokus und Energie führt das dazu, dass angefangene Aufgaben häufig nicht zu Ende geführt werden.
Die Würdigung der Absicht ist wichtig!
Motivation und Durchhaltekraft sind komplexe Themen. Der Wille lässt sich bei ADHS wie gesagt nur mässig ansteuern. Das ist ein Teil der Symptomatik. Deshalb ist etwas enorm wichtig:
Die „Würdigung der ABSICHT“!
Schon die Absicht etwas zu tun, soll wertgeschätzt werden.
??Fokussiere dich auf das, was gemacht worden ist und nicht nur auf das, was noch fehlt. Bei dir und auch bei anderen. Das motiviert und stärkt den Selbstwert. Und das ist nicht nur mit AD(H)S enorm wertvoll!
Dieses Umdenken ist gar nicht so einfach. Deshalb ist es mir besonders wichtig, auch Eltern und Lehrpersonen mit ADHS-Coaching in meiner Praxis in Basel und online zu unterstützen. Denn wie das Umfeld mit den Betroffenen umgeht, hat einen immensen Einfluss auf die Stärke der Symptome. Und damit einen riesigen Einfluss auf das Leben der Menschen mit AD(H)S.
Als ADHS-Coach bin ich eine zuverlässige Ansprechperson für vielfältige Fragen und Unterstützung. Ich biete auch Weiterbildungen für Lehrpersonen an.
Jana Landolt – Animo Coaching
Life Coach & AD(H)S-Trainerin
Byfangweg 36, 4051 Basel