Was sind meine Bedürfnisse?
22. Mai 2022
Ines kommt zu mir, weil sie sehr erschöpft und unzufrieden ist. Sie ist zweifache alleinerziehende Mutter und arbeitet als Kindergärtnerin. „Zuhause fühle ich mich nur noch als Dienstleisterin. Ich bringe Futter heim, koche, räume den Schmutz hinter allen weg. Danach sorge ich dafür, dass die Kinder ihre Schulaufgaben erledigen, was ein täglicher Kampf ist. Wir haben viel Streit. Im Kindergarten bereite ich so tolle Bastelarbeiten vor und mache Ausflüge mit den Kleinen. Wir lachen viel. So habe ich mir das auch für meine eigene Familie vorgestellt, aber davon ist wenig übriggeblieben. Ich bin frustriert und müde und überlege, meine Arbeitszeiten zu kürzen. Am liebsten würde ich alles hinschmeissen.“
Ines heisst in Wirklichkeit natürlich anders, und ihre Geschichte erzähle ich hier auf eine Weise, dass sie nicht wiedererkannt wird. Vielleicht findest du dich selber an der einen oder anderen Stelle darin? Dann geht es dir wie mir ;-)
Im Life Coaching schaut Ines mit mir genau hin, welche Werte in ihrem momentanen Familienalltag viel Platz einnehmen: Pflichtbewusstsein, physische Gesundheit, Autorität.
Im Kindergarten sind es die Werte Verbindung, Kreativität und Pflichtbewusstsein, welche bei ihr Priorität geniessen.
Ines ist erstaunt, dass sich diese beiden Bereiche derart voneinander unterscheiden.
Dem Pflichtbewusstsein verlieh sie in der Familie so grosses Gewicht, weil sie tief empfunden hatte, dass man das von ihr als Alleinerziehende und Pädagogin erwartet:„Stell dir vor, wenn meine Kinder ohne die erledigten Hausaufgaben in der Schule auftauchen! Wie schnell wird da geredet!“
Sie macht sich auf die Suche nach weiteren Normen, welche sie ohne zu überdenken aus ihrer eigenen Familie und der Gesellschaft übernommen hat. Und schliesslich leite ich sie mit einigen entspannten Übungen an, den Zugang zu den Qualitäten zu finden, denen sie in IHREM Leben Raum geben möchte. Sie stellt fest, dass ihr im Familienalltag insbesondere Kreativität und Wertschätzung fehlen.
Ines entscheidet sich bewusst ihre eigenen Werte ganz nach oben zu setzen. Sie versöhnt sich mit dem Gedanken manches loszulassen, um Raum für anderes zu schaffen.
Gemeinsam mit ihren Kindern schreibt sie eine bunte Liste von Aktivitäten auf, die sie gerne miteinander machen. Sie tragen in den Familienkalender Zeiten dafür ein. Und sie besprechen, welche Unterstützung die Kinder von Ines für ihre Hausaufgaben wünschen. Sie übergibt ihnen mehr Verantwortung und lässt sie die Konsequenzen selber tragen.
Ines hat weitere Ideen, wie sie wieder mehr Verbindung und Freude in den Familienalltag einbringen kann. Zudem leistet sie sich ab und zu eine Putzfrau, damit sie auch hier Verantwortung und ungeliebte Arbeit teilen kann.
Ein halbes Jahr später hat sich die Lage merklich entspannt, und Ines ist viel zufriedener. Hin schmeissen musste sie überhaupt nichts, ausser ein paar Überzeugungen, die sowieso nicht ihre eigenen gewesen waren. Sie lebt endlich ihre eigenen Werte im Alltag und tankt daraus Energie.
Was sind Werte überhaupt?
Werte oder Wertvorstellungen sind Qualitäten, Eigenschaften und Normen, die wir als wertvoll und erstrebenswert betrachten. Nach diesen Prinzipien richten wir unser Leben manchmal bewusst und oft unbewusst aus. Manche Werte übernehmen wir unreflektiert von unseren Eltern, aus der Gesellschaft und unserer Kultur. Wir können sie jedoch ganz bewusst wählen und unser Denken und Handeln danach ausrichten.
Ein paar Beispiele für Werte sind Abenteuer, Bescheidenheit, Disziplin, Ehrlichkeit, Fleiss, Gesundheit, Loyalität, Nachhaltigkeit, Ruhe, Sicherheit usw. Die Liste lässt sich beliebig verlängern.
Werte als Orientierung für ein zufriedenes Leben
Lebst du dein Leben so, wie es dir wirklich entspricht? Oder geht es dir wie Ines, deren eigenen Werte im Alltagstrubel irgendwo auf der Strecke geblieben sind?
Wenn du Klarheit über deine Werte hast, kannst du bewusst abgleichen, ob du deine Prioritäten im täglichen Leben entsprechend setzt. Werte geben dir Orientierung für ein glückliches Sein.
Wenn du nach deinen eigenen Wertvorstellungen lebst, kannst du ein sinnhaftes und zufriedenes Leben führen.
Wenn wir uns nach den eigenen Wertvorstellungen ausrichten und damit authentisch handeln, leben wir unser Leben in grosser Zufriedenheit.
Sind Werte und Lebensgestaltung im Einklang, fühlen wir uns selbstwirksam und glücklich.
Was wir davon in den Vordergrund stellen, entspricht jedoch nicht immer unserem eigenen Kern. Wertvorstellungen sind stark geprägt von unserer Herkunft und unserer Umgebung. Normen und Vorstellungen unserer Eltern zum Beispiel und Richtlinien in unserer Gesellschaft.
Jede Familie stellt gewisse Werte in den Mittelpunkt. Nächstenliebe, finanzielle Sicherheit, Fleiss, Kreativität, Reichtum, Bildung und vieles mehr. Mit ihnen wachsen wir auf und übernehmen sie wie Glaubenssätze in unser Erwachsenenalter. Wenn wir uns nach ihnen richten ohne sie zu hinterfragen, und wenn sie unseren eigenen, tiefsten Wertvorstellungen nicht entsprechen, werden wir unzufrieden.
Kennst du diese schleichende, diffuse Unzufriedenheit? Dann lohnt es sich, wenn du dich bewusst mit deinen Werten beschäftigst. Was ist DIR wirklich wichtig? Wo lebst du DEINE Werte wirklich und wo nicht?
Werte als Entscheidungshilfe
Ich begegne vielen Menschen, die sich ständig verzetteln. Sie haben unzählige Ideen, kleinere und grössere Projekte, Wünsche und Ziele. Manchmal sind es so viele, dass sie sich nicht entscheiden können, wo sie anfangen sollen. Es fällt ihnen schwer Prioritäten zu setzen, weil ihnen alles so wichtig erscheint.
Entscheidungen werden aufgeschoben, Projekte vertagt. Der Frust wächst und das Selbstvertrauen sinkt. Viele dieser Menschen sind müde und erschöpft.
Gerade wenn du zu denjenigen gehörst, die sich oft verzetteln, hilft dir ein Blick auf die Werte, um deinen Fokus zu finden und zu halten.
Um in die Gänge zu kommen brauchen wir eine Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen soll. Haben wir uns für eine Richtung entschieden, definieren wir den ersten Schritt. Dieser Schritt soll machbar sein. Nicht zu riesig. Damit ist Anfangen einfacher. Denn alles was klar ist, geht leichter.
Deine wichtigsten Werte nimmst du als Leitplanken, wenn du Entscheidungen triffst.
Kennst du deine Werte, sind sie dein Kompass in unklaren Situationen. In Entscheidungsprozessen richtest du dich bewusst nach ihnen aus und findest Halt.
Hast du deine Ausrichtung klar, kannst du deinen Schwerpunkt setzen. Ist dein Schwerpunkt klar, weisst du, worauf du deinen Fokus setzt. Und wenn du deinen Fokus setzt, hast du eine klare Entscheidungshilfe zur Hand.
Unser Gehirn ist sehr auf Anpassung getrimmt. Wenn wir umgeben sind von Leuten mit ganz anderen Werten beginnen wir uns anzupassen. Besonders augenscheinlich ist das bei Teenagern und ihren Peergroups. Um authentisch zu sein brauchen wir manchmal grossen Mut, uns auf UNSERE Wertvorstellungen zu besinnen und für sie einzustehen.
Ich wünsche dir die Kraft, das Selbstvertrauen und die Klarheit dafür.
Und jetzt konkret: Was sind deine wichtigsten Werte?
Wenn du deine wichtigsten Werte gewählt und verinnerlicht hast, wird dein Handeln davon geprägt. Du definierst, was für ein Mensch du sein willst, was du deinen Mitmenschen weiter gibst, was für ein Leben du lebst. Im Folgenden gebe ich dir einige Anregungen, wie du dich mit deinen Wertvorstellungen auseinandersetzen kannst. Sie sind allesamt von mir erprobt. Denn auch ich widme mich immer wieder meiner klaren Haltung und meiner Ausrichtung, wenn mich das Meer des Alltags in den Funktionsmodus schwemmen will.
Schau genau hin, an welchen Wertvorstellungen du dich momentan ausrichtest. Wie gehst du beispielsweise mit deinen Kindern um? Bist du total gestresst, wenn sie in deinen Augen zu wenig für die Schule lernen und sich dafür mit Freunden treffen? Schau mal dahinter – ist Leistung einer deiner wichtigsten Werte? Disziplin? Oder steht bei dir vielleicht Zufriedenheit, Freundschaft oder Gelassenheit weit oben auf der Liste? Hast du möglicherweise Werte von aussen übernommen, weil in deinem Umfeld alle darüber reden, dass ihr Kind unbedingt aufs Gymnasium muss? Ist DIR das auch so wichtig? Wofür willst DU stehen? Was willst du deinen Kindern vorleben und weitergeben?
Nimm dir für diese Fragen einen ruhigen Moment. Wenn du deine Werte für dich klar hast und für sie einstehst, kommst du dem Menschen, den du sein möchtest, immer näher.Was sind Situationen im Leben, wo es dir richtig gut geht? Welche Werte prägen diese Momente? Kreativität, Kämpfergeist, Gemeinschaftssinn, Naturverbundenheit...?
Notiere die Situationen und erforsche danach die dahinter liegenden Qualitäten und Werte. Schreibe auch diese auf.
Welche Werte wurden in deiner Ursprungsfamilie gelebt? Was hast du oft gehört, zum Beispiel verpackt in „Man macht...“- Sätze. Notiere sie.
Findest du sie wirklich gut? Welche davon verwendest du selber?
Es geht darum, dass wir uns gesund von unseren Eltern lösen. Viele richten ihr Leben nach den Vorstellungen ihrer Eltern und übernehmen ihre Werte unbewusst. Auch kulturelle Normen sind wie ein Überbau zu unseren Entscheidungen. Welche dieser übernommenen Qualitäten gehören gar nicht wirklich du dir? Streiche diese klar und deutlich durch auf deiner Liste.
Gehe die Werte-Liste durch und markiere, was in dir etwas zum Klingen bringt.
Gehe die Liste so lange durch, bis deine ca. fünf allerwertvollsten Werte übrig bleiben.
Gleiche sie ab mit deinem jetzigen Leben. Welche lebst du bereits? Welchen kannst du mehr Platz geben? Wie könnte das aussehen?
Kannst du damit deinem jetzigen Leben neuen Sinn geben?
Indem du dich z.B. fragst: Ändere ich meinen Beruf, oder ändere ich meine Aufgaben in meinem Beruf?
Hast du Lust auf mehr? Am 11.März mache ich einen Workshop (online und in Basel) zum Thema „Meine Werte – was wirklich zählt im Leben“. Sei auch dabei und lasse dich inspirieren!
Fazit
Unsere Werte sind ein wunderbarer Kompass. Sie helfen uns, wenn eine Entscheidung ansteht. Sie zeigen uns den Weg, wenn wir nicht wissen, worauf wir unseren Fokus legen sollen. Übernommene Werte, die uns nicht entsprechen, können wir identifizieren und hinterfragen. Unsere eigenen Werte helfen uns authentisch zu sein und authentisch zu handeln. Sie weisen uns den Weg zu einem sinnhaften und zufriedenen Leben.
Am Montag, 11. März 2024 gehen wir unseren Werten in meinem Workshop „Meine Werte – was wirklich zählt im Leben“ auf den Grund. Finde hier weitere Informationen und melde dich gleich an! Diese zwei Stunden können dein Leben verändern ;-)
2 Comments
Ein wundervoller Blogartikel, liebe Jana. Die eigenen Werte finden, ist ein wertvoller Prozess. Genau wie du es beschreibst, erkennen wir dann erst, worauf es wirklich ankommt im Leben.
Deine Fragen regen zum Nachdenken und Überdenken der eigenen Werte an. Herzensdank dafür! ?
Sehr gerne! Es freut mich, dass dich mein Artikel angeregt hat, dich deinen Werten zu widmen. Das tut immer wieder auf’s Neue gut. Liebe Grüsse, Jana