
ZUHAUSE BLEIBEN – wie wir diese aussergewöhnliche Zeit gut erleben können
26. März 2020
(SELBST)FÜRSORGE während „Corona“
1. November 2020Das erste Halbjahr 2020 hat mich – wie viele andere Menschen – als erstes in einen luftleeren Raum befördert. Lehrerin, Coach, Mutter, Frau: In jeder Rolle stand ich vor neuen, noch undefinierten Aufgaben.
Höhen und Tiefen, Hilflosigkeit und Aktionismus, Angst und Freude wechselten sich ab mit ungläubigem Staunen. Ich war überrascht, was dieses Virus auslöste, was die Schutzmasssnahmen alles verunmöglichten und wie unterschiedlich all das Neue und Ungewisse selbst innerhalb eines Kulturkreises wahrgenommen und verarbeitet wurde. Gleichzeitig staunte ich über das entschleunigte Leben, die erblühende Natur und den blauen Himmel, über Kinder, die kreativ und selbständig Probleme lösten und über Erwachsene, die unkompliziert und solidarisch zusammenstanden. Bald lernte ich den luftleeren Raum auch zu schätzen, denn er bot mir ungeahnte Möglichkeiten und wurde nach und nach mit einer bunten Vielfalt an Erlebnissen gefüllt.
Neues tut sich auf
Üblicherweise wird unser Alltag von zahlreichen Terminen bestimmt, welche alle Familienmitglieder in unterschiedlicher Reihenfolge betreffen. Plötzlich fielen die fixen Termine der Kinder weg. Am Morgen konnten sie ihrem jugendlichen Rhythmus entsprechend etwas länger schlafen und standen daher meistens gut gelaunt auf. Auch ich startete entspannt in den Tag, genoss eine Tasse Kaffee im Bett und las dazu die Nachrichten. Anschliessend machte ich ein paar Yoga-Sonnengrüsse oder Online-Pilates, bevor ich den Aufgaben des Tages entgegenblickte.
Ich hatte viel zu tun, sehr viel, und oft wusste ich nicht, wo mir der Kopf stand. Doch abgesehen davon erlebte ich so viele wertvolle Momente mit meiner Familie und in der Natur, dass ich mich auch immer wieder mit viel Lachen und Bewegung erholen konnte.
Natürlich machte ich mir auch Sorgen und viele Gedanken um die Situation, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen. Auch dieses Ausmass hatte ich so noch nie erlebt.
In dieser Zeit des Lockdowns konnte ich einen schönen Teil meines Lebens noch mehr nach meinen Werten ausrichten als sonst. Langsamkeit durfte sein und hatte Platz. Meine pubertierenden Kinder verbrachten mangels Alternativen viel Zeit mit uns Eltern in der Natur, und genossen es auch. Mir wurde nochmal eine Extrarunde Familienleben geschenkt, wo ich bereits gedacht hatte, diese Phase sei wohl leider vorüber. Wir hatten Musse und Zeit, um achtsam leckeres Essen zuzubereiten, manchmal sogar ganz Spezielles wie Sushi oder Macarons. Dafür mussten wir uns keine Termine freischaufeln, sondern es war in unserem natürlichen Tagesrhythmus ganz einfach möglich.
Ich lernte Menschen aus unserer Nachbarschaft kennen und genoss jedes Schwätzchen über die Strasse oder aus dem Fenster raus. Viele Leute suchten den Kontakt, wenn es nur irgendwie möglich war, und das klappte trotz physischer Distanz.
Die Ruhe in unserem Fluglärm-geplagten Quartier war grossartig. Wobei da wenig Stille war: Die Vögel übernahmen und zwitscherten, als gäbe es kein Morgen. Ich hatte mich noch selten so naturverbunden gefühlt wie in diesem Frühjahr.
Chancen wachsen
In der Schule wuchsen wir ins „Distance-Teaching“ hinein, ebenso wie die Schülerinnen und Schüler. Woche für Woche erlebte ich Kinder, die über sich hinauswuchsen. Natürlich wurde auch viel Youtube geschaut, mit den Eltern gestritten und die Schulaufgaben verhühnert. Es gab gähnende Langeweile, Stimmungstiefs und man vermisste die Kolleginnen schrecklich. Was mich aber geradewegs überrumpelte, war die riesige Kreativität, die Selbständigkeit und das Realisieren, dass gerade ganz viele Kinder einen natürliche, individuelle Art des Lernens entwickelten. Nicht wenige Schülerinnen und Schüler genossen auch die Auszeit von den täglichen sozialen Spannungen im Klassenzimmer und Pausenhof. Und schnell überreizte Kinder waren froh um die Ruhe fern vom Klassenverband.
In meiner Arbeit als Coach stellte ich während des Lockdowns auf Online-Sitzungen um. Ich begleite ja unter anderem Menschen mit AD(H)S, für welche die Selbstorganisation eine grosse Herausforderung darstellt. Hier berührte mich besonders eine Jugendliche, die Strategien entdeckte und ungestört umsetzen konnte, so dass sie in ihrer eigenen Zeit fast sämtliche Schulaufgaben selbständig anfangen, erarbeiten und zu Ende führen konnte. Dass ihr dies gelang, erfüllte sie mit riesigem Selbstbewusstsein und Stolz. In klassischen Prüfungssituationen versagt jeweils ihre Aufmerksamkeit. Doch diese Prüfung des Lebens meisterte sie bravourös.
Manchmal ertappte ich mich beim Gedanken: „Wenn nur nicht mehr alles wird wie früher, wenn das einmal vorbei ist!“
Und so kamen eines Tages die ersehnten und gleichsam gefürchteten Lockerungen.
Jetzt war der Moment, um zu entscheiden, welche Neuerungen und Einsichten ich bewahren wollte, und wie.
Veränderung dank Resilienz
Eine Krise ist ein Wendepunkt im Leben, der uns vor Herausforderungen stellt, aber ebenfalls Möglichkeiten bietet. Leider sind wir oft auf das Problem fokussiert, sodass wir die Chancen nicht wahrnehmen können.
Doch was bestimmt denn, was jemand aus einer Krise macht?
Ein ganz wichtiger Faktor ist dabei die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft. Es ist die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen oder sogar daran zu wachsen. Und daran hat wiederum die eigene Lösungsorientierung einen wichtigen Anteil. Ganz kurz gefasst:
Je stärker du dich auf Lösungen und positive Aspekte einer Situation fokussierst, desto eher kannst du in einer Krise auch Chancen sehen.
In einer Krise bleibt manchmal kaum ein Stein auf dem anderen. Deshalb merken wir nach solchen Phasen des durchgeschüttelt Werdens, welchen Teil der Normalität wir vermissen und welche Neuerungen sich anbieten. Es ist eine gute Zeit für eine Standortbestimmung.
Hier liegt der Grundstein für die Entscheidung, was du in deinem Leben verändern und was du bewahren willst.
Haben wir wieder Boden unter den Füssen, gehen die Erkenntnisse häufig bald im Alltag unter. Vielleicht geht es dir gerade jetzt auch so?
Dann gönne dir doch eine Stunde für eine bewusste Standortbestimmung. Hier gebe ich dir ein paar Anregungen dazu, wie du nachhaltig etwas verändern kannst:
Die Krise als Chance nutzen!
1. Notiere dir, was du in den letzten Monaten erlebt hast und du in Zukunft so behalten oder ausbauen möchtest,.
Setze dich jetzt damit auseinander, welche Werte für dich wichtig sind. Du kannst auch dazunehmen, nach welchen Werten und Richtlinien du zukünftig leben möchtest. Deine Werte zeigen dir, was dir im Leben wichtig ist und wofür du einstehen möchtest.
Bewerte nun deine Stichworte, indem du sie herunterkürzt, bis nur noch deine 5 allerwichtigsten Werte da stehen.
3. Überlege nun konkret, welche deiner Werte du mit deinen gewünschten Veränderungen pflegen kannst und warum sie dir demnach so wichtig sind, dass du sie in dein Leben einbauen wirst. Beschränke dich für die nächsten 3 Monate auf drei Themen. Schreibe diese Vorhaben und Ziele ganz konkret und detailiert auf. Beachte dabei, dass es machbare Ziele sind, die auch zu deiner Lebenssituation und zu den weiteren Beteiligten passen.Überlege dir auch, wer oder was dir dabei helfen kann und schreibe es dazu.
4. Jetzt setzt du ein konkretes Anfangsdatum fest, am besten in den nächsten Tagen. Schreibe auch gleich in die Agenda, wann du überprüfen möchtest, ob du noch auf deinem gewünschten Kurs bist. Vielleicht in einem Monat ab Beginn? Notiere dir ebenfalls einen Tag in drei Monaten. Nimm dir genau dann Zeit, um zurückzuschauen und eine weitere Standortbestimmung zu machen. Wenn du magst, fokussierst du dich in den darauffolgenden drei Monaten auf drei neue Themen. Es ist nämlich möglich, dass sich deine neuen Gewohnheiten bereits etabliert haben und du wieder Energie für Neues hast. Oder aber,dass sie in einer bestimmten Phase für dich bedeutsam waren und wieder verabschiedet werden dürfen.
Ich wünsche dir viel Freude beim Gestalten deines neuen Lebensabschnittes!
Berichte gerne über deine Gedanken und Erlebnisse in und nach dieser speziellen Coronazeit in einem Kommentar.
Jana Landolt – Animo Coaching
Life Coach & AD(H)S-Trainerin
Byfangweg 36, 4051 Basel
14 Comments
Liebe Jana, danke für deinen Mut machenden Beitrag. Besonders gefällt mir, dass du uns Lesenden Tipps aufzeigst, wie aus einer Krise Chancen gemacht werden und diese für gute Veränderungen genutzt werden können. Ich werde diese Zeit jedenfalls gerne reflektieren und schauen, was ich Gutes heraus genommen habe und was noch schlummert und sich zeigen will. Danke!
Danke für deine Rückmeldung! ICh wünsche dir frohe Erkenntnisse und Freude beim Umsetzen.
So ein zeitgeistiger und wertvoller Blick auf das Thema, das in aller Munde ist. Besonders freue ich mich auch über die Anregungen und direkt konkret etwas bei mir anschauen zu können. Danke!!
Das freut mich, liebe Tina! Danke für dein Feedback.
Ein wunderbarer Beitrag. Vielen Dank für Deine positive Art die Dinge zu sehen und die Anregung, Krisen als Chance zu begreifen. Mögen möglichst viele Menschen dies lesen und nachahmen ?
Danke für deine Worte! Sie ermutigen mich.
Liebe Jana, vielen Dank für deine Worte.
Danke, dass du uns alle daran erinnerst, wie wichtig das Fokussieren auf Lösungen und auf die positiven Aspekte jeder Erfahrung wichtig ist.
Liebe Grüße zu dir, Massama
So kommen wir in unsere Kraft und können unsere Wege weiter gehen. Danke für deine Rückmeldung, liebe Massama.
Danke für deine Gedanken. Danke fürs Mut machen.
Sehr gerne, Gaby!
Liebe Jana, ich stimme dir voll und ganz zu. In jeder Veränderung und Krise, steckt so viel Potential. Wir haben die Möglichkeit zu lernen dies zu erkennen und daran zu wachsen. Danke für deine Worte und den Impuls, den Du damit in die Welt schickst. Herzlichst Claudia
Danke für deine Worte, Claudia!
Liebe Jana, vielen Dank für deinen Beitrag und dein Mut machen. Ich habe die Zeit sehr ähnlich erlebt und ja: in jeder Krise steckt eine wunderbare Chance zur Veränderung und Wandlung!
Danke für deine wertschätzende Rückmeldung, liebe Ramona. Schön zu lesen, dass du auch die Chancen siehst dieser ausserordentlichen Zeit.